Quantcast
Channel: Mars – Go for Launch
Viewing all articles
Browse latest Browse all 71

Der Staubsturm, gesehen von der VMC auf Mars Express

$
0
0

Jetzt schlägt die Stunde der weitwinkligen Kameras wie der VMC auf der alten Mars-Sonde Mars Express der ESA. Solche Kameras können zwar keine hochaufgelösten Nahaufnahmen machen. Dafür sind sie zu globalen Aufnahmen imstande.

Auf dem Mars tobt seit Mitte Juni ein gewaltiger Staubsturm. Bereits eine Woche nach Ausbruch des Sturms war der Planet bereits ganz dem von bis in große Höhen getragenen Staub verhüllt.

Ganz? Nein nicht ganz.

Die Polkappen und einige hohe Berggipfel leisten dem Staub noch hartnäckig Widerstand.

Eine aktuelle Aufnahme der VMC

Diese Aufnahme der VMC wurde am 2.7.2018 um 10:37 UTC gemacht (Hier der Link zur Seite der VMC auf Flickr mit mittlerweile mehr mehr als 26,000 Aufnahmen vom Mars). Die Raumsonde flog dabei in einer Höhe von 4300 km, laut JPL Horizons ungefähr über der areographischen Position 120 Grad West, 10 Grad Nord, also über dem Tharsis-Hochland. Zu sehen ist etwas oberhalb der Bildmitte die unverkennbare Form von Olympus Mons.

In der rechten unteren Ecke zeichnet sich ein weiterer großer Vulkan ab: Arsia Mons. Links oben ist die nördliche Polkappe zu sehen. Die beiden Vulkane sind im Bild zwar auszumachen, sie sind aber blass und verschwommen. Offenbar ist selbst in Höhen von mehr als 20 km immer noch die Staubkonzentration noch hoch. Man sieht auf der Aufnahme auch einige Kratzer  sowie Artefakte der Datenkompression.

Die solare Länge

Die aktuelle solare Länge ist 204 Grad. Die solare Länge ist die wahre Anomalie der Bahn, aber nicht vom Perihel, sondern from Frühlingspunkt aus gezählt. Das Perihel befindet sich bei einer solaren Länge von etwa 255 Grad.

Bei 180 Grad beginnt der Südfrühling und der Nordherbst. Hier beginnt, statistisch gesehen, auch die Jahreszeit der Staubstürme, die sich bis zur Mitte des Südsommers erstreckt. Wegen der Exzentrizität der Marsbahn ist sie Sonneneinstrahlung im  Südfrühling und -sommer viel stärker als im Nordfrühling und -sommer.

Globale Staubstürme sind stochastische Ereignisse. Lokale Stürme können immer auftreten. Mit regionalen kann man in jeder Saison rechnen. Globale aber kommen nur etwa jedes dritte Marsjahr vor – solche von einer Intensität wie der aktuelle Sturm noch seltener. Die Wahrscheinlichkeit für ein globales Ereignis scheint am Anfang und am Ende der Saison höher zu liegen als in der Mitte.

Aufnahme der VMC auf der ESA-Mars-Sonde Mars Express vom 2.7.2018 um 10:37 UTC in 4300 km Flughöhe über dem Tharsis Hochland.

Credit: ESA – European Space Agency, CC BY-SA 3.0 IGO: Aufnahme der VMC auf der ESA-Mars-Sonde Mars Express vom 2.7.2018 um 10:37 UTC in 4300 km Flughöhe über dem Tharsis-Hochland.

Die Entwicklung globaler Staubstürme

Ein Staubsturm entsteht durch einen Kamineffekt. Er nimmt seinen Ausgang von einem kleinen tornadoähnlichen Gebilde, der Staub wie mit einem Staubsauger nach oben zieht.

Ist erst einmal viel Staub in der Luft, dann wird der Effekt selbstverstärkend. Der mobile Staub nimmt mehr Sonnenenergie auf und erwärmt sich. Lokal kommt es zu erhöhter atmosphärischer Temperatur. Das erwärmte Gas/Staub-Gemisch steigt auf, sodass an der Oberfläche von allen Seiten Gas nachströmt. Diese wirbelt weiteren Staub auf, der weiter zu einer Erwärmung beiträgt. Wenn eine gewisse Schwelle überschritten ist, gibt es kein Halten mehr.

Wenn der Staub erst große Höhen erreicht hat, gerät er in die Jetstreams, die für eine schnelle Ausbreitung des Höhenstaubs nach Osten sorgen. Die Zirkulation in den Hadley-Zellen trägt den Staub nach Norden und Süden, und in noch größere Höhen, 50 km oder mehr. Die VMC hat im Juni  in 55 km Höhe  gesehen.

Und schon hat man ein globales Ereignis.

Am Ende aber würgt sich der Sturm selbst ab, denn die Menge des in große Höhen getragenen Staubs verhindert, dass noch nennenswerte Mengen an Sonnenlicht die Oberfläche erreichen. Dort wird es deswegen sehr dunkel und kalt. Ein Sturm braucht jedoch Temperaturunterscheide und Energie, sonst bricht er zusammen.

Aber auch wenn der Staubnachschub von der Oberfläche ausbleibt, ist das Ereignis noch lange nicht vorbei. Staub auf dem Mars ist wegen der ewigen Trockenheit extrem feinkörnig. Es kann einige Wochen oder gar Monate dauern, bis er wieder aus der Höhe auf den Boden gerieselt ist.

Dann ist der Staub immer noch ein Problem, denn er liegt erst einmal überall, auch auf den Solargeneratorflächen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass kleinere Staubtornados, so genannte “dust devils” sehr effizient Flächen von Staub reinigen. Dust devils kommen aber nicht auf Bestellung.

Auswirkungen auf Landesonden

Auf der Oberfläche ist es jetzt sehr ungemütlich, besonders wenn man zur Energieversorgung auf Sonnenenergie angewisen ist. Der Mars-Rover Curiosity im Krater Gale hat einen Radioisotopengenerator – ihm ist also immer warm, und der Strom geht ihm nicht aus.

Anders ist es mit Opportunity in der Meridiani-Ebene. Die Durchlässigkeit der Atmosphäre wird mit der optischen Dicke τ (Tau) ausgedrückt. Das die Oberfläche erreichende Sonnenlicht ist die solare Einstrahlung * e. Ist τ=1, kommt noch 37% der Energie unten an – der Rest bleibt im Staub hängen. Bei τ=4 kommen weniger als 2% an. Ende Juni 2018 war es an der Lokation von Opportunity aber ein Wert von mehr als 10 – das heißt, es kam in guter Näherung gar kein Licht mehr an. (Siehe hierzu auch eine Simulation der Sonne, wie sie bei verschiedenen Werten für die optische Dicke von Opportunity aus erscheint).

Wäre es hier so dunkel und stünde genau neben mir ein Rhinozeros, dann könnte ich es grunzen hören – sehen könnte ich es nicht. Dies ist ein sehr großes Problem für alle Technik, die Strom braucht – das heißt: alle Technik, Punkt. Wenn man auf dem Mars langfristige bemannte Operationen durchführen will, dann braucht man entweder riesige Stromspeicher, die das Funktionieren des Lebenserhaltungssystems auch ohne Aufladen von Batterien über Wochen hinweg gewährleisten.

Rover kann man in den Winterschlaf versetzen. Bei Menschen ist das eher schwierig – die Hibernation geht ja gerade noch, aber das Aufwecken kann hochgradig nichttrivial werden. Besser wäre da schon eine nukleare Energieversorgung, zumindest eine paar RTG (Radioisotope Termoelectric Generator) für den Notstrom. Sonst kann der Kolonie da schnell der Hintern mit Grundeis gehen – vielleicht schon einige Monate nach der Landung. An eine permanente Besiedlung sollte man sonst lieber nicht denken.

 

Der Beitrag Der Staubsturm, gesehen von der VMC auf Mars Express erschien zuerst auf Go for Launch.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 71