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Elon Musks Auto fliegt zum Mars – echt jetzt?

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Am 2.12. erfuhr die staunende Weltöffentlichkeit: Bald wird Elon Musks Auto vom Typ Tesla Roadster “zum Mars geschossen” werden. Dies entnimmt man einem Tweet des Chefs der Unternehmen Tesla und SpaceX. Wie immer bei Nachrichten solllte man aber erst einmal genauer hinschauen.

Tweet von Elon Musk vom 2.12.2017, in dem er ankündigt, sein Auto vom Typ "Tesla Roadster" als Nutzlast für den ersten Start der Flacon Heavy-Großrakete seiner Firma SpaceX zu nutzen.

Credit: Elon Musk via twitter.com / Tweet von Elon Musk vom 2.12.2017, in dem er ankündigt, sein Auto vom Typ “Tesla Roadster” als Nutzlast für den ersten Start der Falcon Heavy-Großrakete seiner Firma SpaceX zu nutzen.

Im Tweet werden mehrere Sachen gesagt:

  • Das Auto soll als Nutzlast auf der Rakete sitzen (gemeint ist der Erststart der Großrakete Falcon Heavy im Januar 2018)
  • Ziel ist “Mars orbit”. Das kann man als “Bahn um den Mars” interpretieren. Ich meine, es bedeutet einfach nur “die Bahn des Mars um die Sonne”. Warum, erkläre ich gleich
  • Dann soll das Auto etwa eine Milliarde Jahre im “deep space” verbleiben. Das erscheint mir eine ziemlich steile These: Warum, das erkläre ich auch gleich

Kann man Elon Musks Auto ins Weltall schießen?

Klar kann man Elon Musks Auto ins Weltall schießen. Ein Auto ist erst einmal nur ein Stück Ballast. Ein Stahlklotz oder ein Klumpen Beton hätte es auch getan. Für die dynamische Stabilität der Rakete ist wichtig, dass der Massenmittelpunkt innerhalb eines gewissen Bereichs liegt. Nicht zu hoch, nicht zu tief, nicht zu weit von der Symmetrieachse entfernt.

Außerdem ist wichtig, dass der Massenmittelpunkt sich nicht während des Aufstiegs unvorhersehbar verschiebt. Er verschiebt sich auf jeden Fall, wenn sich die Tanks leeren und Stufen oder die Nutzlastverkleidung abgetrennt werden. Unerwünscht sind aber Änderungen dadurch, dass beispielsweise von der Nutzlast etwas verrutscht oder abbricht. Ich hoffe doch, dass Teslas stabil genug gebaut sind, um diese Anforderung einzuhalten. Notfalls kann man ja noch durch eingeschraubte Versteifungen nachhelfen, die man von außen nicht sieht.

Warum ein Auto?

Was weiß ich? Offenbar will Musk die Karre loswerden. Vielleicht gefällt sie ihm einfach nicht. Ich hatte auch mal ein Auto, das ich am liebsten auf den Mond geschossen hätte. Mindestens. Besser noch zum Pluto. Ich hatte allerdings nie einen Tesla. Keine Ahnung, ob die Dinger was taugen.

Der Unterschied zwischen Musk und mir ist halt, dass er auch die Rakete hat, die er braucht, um sein Vorhaben umzusetzen.

Ich denke, die Frage ist nicht: “Warum sollte Elon Musks Auto ins Weltraum geschossen werden?”, sondern: “Warum sollte Elon Musks Auto nicht ins Weltall geschossen werden?”.

Die ganze Sache wird lang und breit diskutiert und erzeugt dadurch jede Menge Publizität. Darum geht es doch bei der PR, oder nicht? Klar hätte er auch langweiligen Ballast draufsetzen können. Aber das hätte niemanden interessiert.

Wo geht’s hin?

Startfenster von der Erde zum Mars von Anfang 2016 bis Herbst 2018. Gezeigt ist die erforderliche hyperbolische Erdfluchtgeschwindigkeit, die resultierende hyperbolische Mars-Ankunftsgeschwindigkeit und die Summe der beiden als grober Richtwert, alle Werte in km/s.

Credit: Michael Khan / Startfenster von der Erde zum Mars von Anfang 2016 bis Herbst 2018. Gezeigt ist die erforderliche hyperbolische Erdfluchtgeschwindigkeit, die resultierende hyperbolische Mars-Ankunftsgeschwindigkeit und die Summe der beiden als grober Richtwert, alle Werte in km/s.

Hier die Pork-Chop-Plots für alle Startfenster zum Mars in 2016-2018. Man kann Anfang 2018 zum Mars starten und käme dort nach ca. 9 Monaten an, allerdings mit horrender hyperbolischer Ankunftsgeschwindigkeit. Ein Startfenster, das moderate Abflugs- und Ankunftszeiten beinhaltet, findet sich erst im Mai des kommenden Jahres.

Ich denke aber, das ist alles eher nebensächlich. SpaceX hat nicht vor, jetzt schon ein Raumfahrzeug mit der Falcon Heavy in eine Bahn zum Mars zu schießen. Wenn sie das vorhätten, dann wäre die Nutzlast der Rakete kein Auto, sondern ein Raumfahrzeug. Ein Raumfahrzeug hat keine Räder, dafür aber Energieversorgung, Antrieb, Lageregelung, Kommunikationseinrichtung für die erforderlichen Entfernungen, thermische Regelung, usw., und am Boden bräuchte man ein Netzwerk von Bodenstationen, ein trainiertes Kontrollteam.

Wenn die so etwas vorbereitet hätten, dann müsste das Raumfahrzeug schon vor Monaten im Kennedy Space Center angekommen sein und würde auf den Start vorbereitet. Das hätten wir schon vor langem gehört. Wahrscheinlich von Elon Musk höchstpersönlich.

Das ist aber wohl eher nicht das Thema. Es geht darum, eine Rakete zu starten. Diese soll gleich in eine Fluchthyperbel gehen, und Elon Musks Aussage “Destination is Mars Orbit” deute ich so, dass die Erdflucht tangential zur Flugrichtung der Erde um die Sonne erfolgt, mit einer hyperbolischen Geschwindigkeit von etwa 3 km/s, also typischerweise das, was man braucht, um von der Erdbahn die Marsbahn zu erreichen.

Was ist mit der Lebensdauer?

Elon Musk spricht von “a billion years or so” in “deep space”. Deep Space ist schon mal ein vager Begriff. Jeder meint damit immer gerade genau das, was er gerade damit meint. Meist bezeichnen Raumfahrtingenieure damit den interplanetaren Raum außerhalb der Einflusssphäre eines Planeten.

Wenn die Rakete im Dezember so wie eben beschrieben starten, dann fliegen Oberstufe und Nutzlast bis hinaus zur Marsbahn, aber sie begegnen dem Mars dort nicht, denn der liegt auf seiner Bahn noch ein Stück zurück.

Die Bahn ist eine elliptische Bahn um die Sonne, die am Perihel, dem sonnennächsten Punkt, die Erdbahn tangiert oder zumindest in der Nähe des Perihels die Erdbahn schneidet. Am Aphel dagegen tangiert sie die Marsbahn. Oder aber, das Aphel liegt unterhalb der Marsbahn, vielleicht sogar deutlich darunter, wenn die Rakete eine niedrigere Fluchtgeschwindigkeit erreicht als anvisiert. Vielleicht liegt das Aphel auch jenseits der Marsbahn, dann schneidet die Trajektorie die Marsbahn.

Die Umlaufperiode wird eine andere sein als die von Mars und Erde, und es wird auch nicht möglich sein, eine Bahn zu erreichen, deren Periode gerade so gewählt ist, dass eine spätere Begenung mit Erde oder Mars ausgeschlossen ist. Wahrscheinlich ist, dass sie entweder Erde oder Mars begegnet. Irgendwann einmal.

Wann genau, kann man nicht sagen, denn eine Rakete, noch dazu eine vollkommen unerprobte, hat immer eine erhebliche Restunsicherheit im erreichten Bahnzustand bei Brennschluss. Bei Raumsonden wird nach der Bestimmung der Bahn ein Korrekturmanüver vorgesehen. Hier aber ist die Nutzlast keine Raumsonde, sondern ein Auto. Also kein Korrekturmanöver.

Was genau bei der Begegnung passiert, kann man erst recht nicht sagen, wenn man noch nicht einmal den Zeitpunkt bestimmen kann. Bei jedem Umlauf verändert sich die Bahn geringfügig durch Störungen – die Schwerkraft der Planeten, der Solardruck und Ausgasen volatiler Bestandteile.

Möglicherweise treten Oberstufe und Nutzlast (ich nehme an, das Auto bleibt dran) in die Atmosphäre von Erde oder Mars ein. Oder sie krachen auf den Mond. Im Endeffekt wird es darauf hinauslaufen. Vorher aber könnten sie einen oder mehrere nahe Vorbeiflüge absolvieren. Durch den gravitationellen Einfluss  des Planeten, dem sie da begegnen, würde sich die Bahn erheblich verändern – und zwar gerade der Teil der Bahn, der dem Ort des Vorbeiflugs gegenüber liegt.

Ein naher Vorbeiflug an der Erde würde sich also vorwiegend auf das Aphel auswirken, das angehoben oder abgesenkt werden könnte. Dadurch geriete möglicherweise der Mars aus der Schusslinie, vielleicht aber auch nicht. Die Begegnungswahrscheinlichkeit mit der Erde wäre jedoch nicht erheblich verändert.

Durch einen nahen Vorbeiflug am Mars würde sich dagegen das Perihel verändern. Es könnte angehoben oder abgesenkt werden, was sich auf die Wahrscheinlichkeit auswirken würde, die Erde zu treffen.

Irgendwann kracht das Ding auf Erde oder Mars. Angesichts der Unsicherheiten, mit denen schon die Anfangsbedingungen behaftet sind, würde ich mir jedoch nicht zutrauen, eine Vorhersage zur orbitalen Lebensdauer um interplanetaren Flug zu machen. Ich wüsste auch nicht, ie man für solche Zeiträume wie von Elon Musk genannt überhaupt aussagekräftige Berechnungen anstellen sollte. Allein schon die Rechenungenauigkeiten verfälschen da doch die Ergebnisse erheblich und unvorhersehbar.

Ich vermute  (ohne Beweis): Aufgrund der Bahngeometrie ist nicht mit einer langen Lebensdauer zu rechnen. Möglicherweise einige Tausend Jahre. Ferner bezweifele ich, dass die Behauptung einer Lebensdauer von einer Milliarde Jahren auf belastbaren Annahmen fußt.

Was sagt der Planetary Protection Officer?

Keine Ahnung, ob Elon Musk einen gefragt hat. Das sollte er auch lieber bleiben lassen. Nach meiner Erfahrung sind diese Leute nämlich eher pingelig. Wenn mal so einer bei Ihnen anruft, gehen Sie besser gar nicht erst ran – am Ende haben Sie sonst mit Sicherheit eine Menge  Papierkram am Hals.

Es gibt Regelungen zum Schutz des Mars als Ort, an dem sich Leben gebildet haben oder eingeschleppte Lebensformen überleben können. Bevor man eine Raumsonde startet, muss man nachweisen, dass innerhalb eines gewissen Zeitraums die Impaktwahrscheinlichkeit von Oberstufe und Nutzlast unterhalb eines Grenzwerts bleibt. Beispielsweise unterhalb von 0.01% in 20 Jahren oder 1% innherhalb von 100 Jahren.

Es sei denn, man kann nachweisen, dass Oberstufe und Nutzlast vor dem Start aufwändig sterilisiert wurden. Da die Oberstufe aber ungeschützt auf der Rakete sitzt, ist dies wohl unmöglich. Auch ein Auto bietet sich für eine solche Vorgehensweise nicht an.

Bei der Erde muss man nachweisen, dass das Risiko, dass auch nur ein Mensch beim Wiedereintritt von Oberstufe oder Nutzlast getroffen wird, unterhalb einer ziemlich niedrigen Schwelle liegt – auch dies für einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten.  Wenn man nachweisen kann, dass schon beim Durchqueren der Atmosphäre nach dem Wiedereintritt das Objekt verglüht, dann ist man fein raus. Bei einer großen Oberstufe dürfte das aber nicht so sein. Bei Objekten über einer Tonne Masse kommt wahrscheinlich auch etwas unten an. Allemal, wenn hochwarmfeste Bauteile verbaut sind.

Zum Wiedereintritt von Automobilen gibt es nicht so viele Erfahrungswerte, aber ich nehme an, da die Masse über 1 Tonne liegt, wird ein aufwändigerer Nachweis erforderlich.

Elon Musk kann sicher Chuck Norris als Missionsanalytiker engagieren. Dann sind alle offenen Fragen im Nu geklärt.

Der Beitrag Elon Musks Auto fliegt zum Mars – echt jetzt? erschien zuerst auf Go for Launch.


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