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Sommerferien für den ExoMars-TGO

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ExoMars-TGO, der neue große Mars-Orbiter der ESA, wird wahrscheinlich bis in das Jahr 2018 hinein mit Aerobraking beschäftigt sein. Das ist die aerodynamische Abbremsungsphase. Der niedrigste Punkt der Bahn wird um ca 105 km gehalten, anfangs etwas höher, später etwas niedriger.

Bei jedem Durchflug durch die Hochatmosphäre des Mars findet etwas Abbremsung statt. Nicht so viel, dass da etwas überhitzt oder abgerissen wird. Aber doch so viel, dass jedes Mal etwas Bahnenergie dissipiert (=in Wärme umgewandelt) wird. Das Maß für die Bahnenergie ist die große Halbachse, die Hälfte der Entfernung vom marsnächsten Punkt (dem Perizentrum) zum marsfernsten (dem Apozentrum). Die große Halbachse wird also bei jedem Durchflug etwas kleiner. Da der Bahnradius am Perizentrum immer ungefähr gleich bleibt, muss zwangsläufig das Apozentrum abgesenkt werden. Und zwar ohne Treibstoffverbrauch.

Ziel ist eine Apozentrumshöhe von rund 400 km. Ob die durch Aerobraking erreicht wird oder ob man vorher aufhören muss und den Rest mit Triebwerksmanövern bewerkstelligt, muss noch abgewartet werden. Auf jeden Fall muss am Ende das Perizentrum auf etwa 400 km angehoben werden. Das geht nur mit Treibwerksmanövern. Am Ende der Aerobrakingphase muss also zwangsläufig Treibstoff aufgewendet werden. Aber summa summarum viel weniger, als wenn man kein Aerobraking gemacht, sondern das Apozentrum nur mit den Triebwerken von einer Höhe von etwa 95,000 km abgesenkt hätte. Es gibt im Leben aber nichts umsonst. Die Treibstoffersparnis wird mit einer langen Wartezeit erkauft, bevor endlich die wissenschaftliche Phase beginnen kann.

Apozentrum und Perizentrum der operationellen Zielbahn werden nicht  genau gleich sein, denn das Ziel des ExoMars-TGO ist nicht eine exakte Kreisbahn. Dazu aber später mehr, in einem eigenen Artikel.

Die Sommerpause

Jetzt ist aber erst einmal Sommerpause für den ExoMars TGO. Grund ist eine obere Konjunktion des Mars, wobei Erde und Mars in etwa so stehen, dass die Sonne sich zwischen ihnen befindet. Dies unterbindet effektiv den Austausch von Funksignalen. Weder kann das Kontrollzentrum auf der Erde die Telemetrie vom ExoMars-TGO empfangen, noch kann es Telekommandos hochsenden. Riskante Operationen wie das Aerobraking sind unter solchen Bedingunen natürlich ausgeschlossen.

Verlauf der Winkel Sonne-Mars-Erde (durchgezogen) udn Sonne-Erde-Mars während der oberen Mars-Konjunktion im Sommer 2017

Credit: Michael Khan, Darmstadt / Verlauf der Winkel Sonne-Mars-Erde (gestrichelt) und Sonne-Erde-Mars (durchgezogen) während der oberen Mars-Konjunktion im Sommer 2017

Die Abbildung zeigt den Verlauf zweier Winkel von Mitte Juni bis Ende August 2017. die durchgezogene rote Linie zeigt den Winkel Sonne-Erde-Mars. Wenn man von der Erde aus eine Linie zur Sonne zieht und eine zweite zum Mars und dann den Winkel zwischen den beiden Linien bestimmt, dann ist das dieser.

Die gestrichelte blaue Linie dagegen zeigt den Winkel Sonne-Mars-Erde, also den Winkel zwischen den Vektoren vom Mars zur Erde und vom Mars zur Sonne. Wenn nur die gestrichelte Linie gegen Null geht, die durchgezogene dagegen gegen 180 Grad, dann hat man eine Opposition: von der Erde aus gesehen stünden Mars und Sonne in fast genau entgegen gesetzten Richtungen. Das wäre kein Problem für die Operationen.

Hier aber haben wir eine Konjunktion, denn beide Winkel sind klein. Bei unter 2-3 Grad hat man bei Verwendung des X-Bands (Frequenz um 8 GHz) kein brauchbares Signal mehr. Aber auch schon bei etwas größeren Werten dieser Winkel bemerkt man eine deutliche Verschlechterung der Signalqualität, weil die Signale so dicht an der Sonne vorbei geschickt werden müssen. Das beeinträchtigt vor allem die Genauigkeit der Bahnbestimmung. Deswegen hat man dem ExoMars-TGO vom späten Juni bis Ende August eine Auszeit gegönnt. Sozusagen Sommerferien.

Das Perizentrum wurde für diese Sommerpause von 105 km auf über 160 km abgehoben. Nun findet kaum noch atmosphärische Abbremsung statt. Diese Parkbahn ist also erst einmal stabil. Natürlich wurden bei der Auswahl der Perizentrumshöhe für die Parkbahn auch die zu erwartenden Bahnstörungen bis Ende August berücksichtigt. Ein Eingreifen ist ja aktuell nicht möglich.

Bahnentwicklung beim Aerobraking

Beim Einschuss  in die Bahn um den Mars wurde eine hochelliptische Bahn mit einem Apozentrumsradius von knapp 100,000 km gewählt. Der marsnächste Punkt dieser Bahn lag etwa 250 km über der Oberfläche des roten Planeten. Diese Bahn hatte eine Umlaufperiode von etwas über vier Tagen. Die Bahnebene lag noch nahe der Äquatorebene des Mars. Anfang dieses Jahres wurde mit einem großen Triebwerksmanöver die Bahnneigung auf 74 Grad erhöht. Danach wurde das Apozentrum auf etwas über 33,000 km Höhe abgesenkt, sodass ein Bahnumlauf nur mehr einen Tag dauerte.

Mitte März dann begann das Aerobraking. Allerdings schön vorsichtig, erst einmal noch mit einer Perizentrumshöhe, die deutlich höher als 105 km war und dann durch weitere Manöver Stück für Stück abgesenkt wurde. Zu Beginn der Sommerferien für ExoMars-TGO war nach 125 Atmosphärendurchgängen die Apozentrumshöhe schon auf 14,000 km und die Bahnperiode auf 9 Stunden gesunken.

Ein schönes Stück Arbeit  geschafft, könne man meinen. Aber Halt – vor dem ExoMars-TGO liegen noch rund 1000 Atmosphärendurchgänge. Vielleicht mehr, wenn sich im weiteren Verlauf des Aerobraking Schwierigkeiten ergeben, die ein zeitweises Anheben des Perizentrums und damit eine geringere Bremswirkung erfordern. Die Endphase des Aerobraking wird es in sich haben. Dann wird es pro Tag  12 Atmosphärendurchgänge geben: 12 Mal zur Erde drehen, Daten austauschen, Batterie aufladen, Kommandos empfangen und ausführen, wieder zur Lage für den Eintritt drehen, durchrauschen.

Das ist alles nicht ganz ohne. Da tut die Verschnaufpause, die wir jetzt haben, ganz gut. Freundlicherweise hat die Himmelsmechanik es so eingerichtet, dass die Konjunktion im Sommer liegt, was vielen Kollegen einen Erholungsurlaub gestattet, bevor er richtig zur Sache geht. Als nächste Aktion, wenn das Aerobraking Ende August wieder los geht, muss ein erneutes Walk-in vorgenommen werden: das vorsichtige, stückweise Absenken des Perizentrums in die Atmosphäre hinein.

 

Der Beitrag Sommerferien für den ExoMars-TGO erschien zuerst auf Go for Launch.


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