Quantcast
Channel: Mars – Go for Launch
Viewing all articles
Browse latest Browse all 71

Die Kommunikationsarchitektur von Mars One

$
0
0

Das Projekt Mars One, bei dem es um nichts geringeres als die permanente Besiedlung des Planeten Mars geht, steckt gerade in gewissen finanziellen Schwierigkeiten. Dabei werden von den Projektverantwortlichen die Kosten mit nur 6 Milliarden Dollar veranschlagt. Das erscheint mir illusorisch. Aber was weiß denn ich schon …

Mond und Mars über Darmstadt am 7.6.2014, 22:18 MESZ (Komposit). Teleskop: 50/330 ED-Apochromat TSED503, Kamera Canon EOS 600D, ISO 800, Mondaufnahme: 1/640 s, Marsaufnahme 1/125 s
Mars und Mond über Darmstadt am 7.6.2014, 22:18 MESZ (Komposit). Teleskop: 50/330 ED-Apochromat TSED503, Kamera Canon EOS 600D, ISO 800, Mondaufnahme: 1/640 s, Marsaufnahme 1/125 s

Viel technische Information zum Projekt finde ich nicht. Kaum interessiere ich mich mal für ein Thema und fange an zu recherchieren, wird es gleich sehr dünn. Da ich nicht im Detail, und noch nicht einmal im Groben erfahre, wie die Macher sich das vorstellen, muss ich zwangsläufig auf der Basis der eigenen Erfahrung die Gegenrechnung aufmachen.

Immer, wenn ich das mache, kommt etwas heraus, dessen Größe und Komplexität nicht mit dem Dogma vereinbar ist, alle erforderliche Technik sei schon vorhanden und man könne eigentlich alles gleich von der Stange kaufen. Ohne diese Grundvoraussetzung passen weder die Kostenschätzung noch der Zeitrahmen in der aktuellen “Roadmap” von Mars One.

Laut dieser Roadmap soll 2024 der Kommunikationssatellit gestartet werden, der in einer areostationären Bahn (einer kreisförmigen. äquatorialen Bahn in 17000 km Höhe) positioniert wird, in der die Umlaufperiode genau einen siderischen Marstag beträgt.

Eigentlich kaum denkbar, dass man nur einen einzigen Kommunikationssatelliten am Mars für eine Vorhaben einplant, bei dem es darum geht, eine wachsende Gruppe von Menschen auf einem anderen Planeten leben zu lassen. Aber so steht es in der Roadmap von Mars One. Ich würde mindestens zwei, besser drei Satelliten vorsehen. Aber wie gesagt: Was weiß denn ich schon?

Alle 25-26 Monate haben wir eine obere Konjunktion, das heißt, Mars und Erde haben die Sonne zwischen sich, was Kommunikation in beiden Richtungen bis zu mehrere Wochen unmöglich macht. Mars One rechnet offensichtlich nicht mit einem Ausfall ihres Kommunikationssatelliten. Aber an diesen Punkt hat man doch gedacht.

Die Kommunikationsarchitektur, also die Gesamtheit der Maßnahmen, die den Datenaustausch für das Projekt vom Mars zur Erde und von der Erde zum Mars gewährleisten, haben die Experten von Mars One in der ihnen eigenen Prägnanz hier beschrieben.

Dort ist ein weiterer Satellit vorgesehen, der im L5-Punkt des Systems Erde-Sonne positioniert werden soll. Der L5-Punkt liegt auf der Erdbahn, läuft der Erde aber mit einem konstanten Winkel von 60 Grad nach. Erde, Sonne und L5-Punkt spannen ein gleichseitiges Dreieck mit einer Seitenlänge von einer astronomischen Einheit auf.

Geometrie zwischen Erde, mars und Erde-Sonne-L5-Punkt zum Zeitpunkt der oberen Konjunktion. Hier ist zdem der mars am Aphel seiner Bahn
Geometrie zwischen Erde, Mars und Erde-Sonne-L5-Punkt zum Zeitpunkt der oberen Konjunktion. Hier ist zdem der mars am Aphel seiner Bahn

Es stimmt, mit einem Satelliten dort könnte man die Zeit der oberen Konjunktion überbrücken.

Die Kommunikationsarchitektur von Mars One muss aber für eine bemannte Mission taugen. Das heißt, sie muss ohne langes Zwischenspeichern funktionieren und breitbandig sein. Nehmen wir einfach mal HDTV als Maßstab, dann haben wir einen Bandbreitenbedarf von 19.2 Mbit/s. In einer ähnlichen Größe wird auch das liegen, was man für Mars One braucht. Zumal ja das Grundkonzept von Mars One darin besteht, die Kosten durch die Senderechte am Videomaterial vom Habitat auf dem Mars zu finanzieren wie bei “Big Brother”.

Auf der Erde braucht man für die interplanetare Kommunikation angesichts der zu überbrückenden Distanz eine riesige Bodenstation mit 35 Metern oder mehr Reflektordurchmesser, Wasserstoffmaser und kryogen gekühlten Empfängerkomponenten, um beim schwachen Signal vom Mars noch einen ausreichenden Rauschabstand zu gewährleisten.

Es ist damit zu rechnen, dass ähnliche Technik auch auf dem Relais-Satelliten im L5 vorhanden sein muss. 35 Meter Antennendurchmesser oder mehr und die ganze andere Technik, das ist nun nicht gerade ein kleiner Satellit. Im Gegenteil, das ist sogar ein sehr großer Satellit. Ein riesiger Satellit. Moment mal … ein Satellit? Auch hier sollte man lieber Redundanz vorsehen, meine ich.

Übrigens wäre auch der andere Satellit im areostationären Orbit nicht gerade klein, wenn auch nicht so ein ein Brummer wie der im L5. Der Satellit am Mars soll ja nur breitbandig senden, nicht empfangen.

Vielleicht will Mars One gar nicht auf Radiofrequenzen setzen, sondern auf Laserkommunikation. Das wäre, wie mir ein Experte für solche Technik am ESOC in Darmstadt mitteilt, mit etwa 50-cm Spiegelteleskopen sendeseitig und 5-Meter-Spiegelteleskopen empfangsseitig zu machen. Schon mal deutlich kleiner, aber keinesfalls Technik aus der Schublade, angesichts eines optischen Spiegels dieser Größe. Das JWST hat einen 6.5-Meter-Primärspiegel, bei Projektkosten, die die für Mars One genannte Summe von 6 Milliarden erheblich übersteigen (was aber zugegebenermaßen nicht nur am Spiegel liegt. Nicht nur, aber auch).

Wäre ich für die Entwickung der Kommunikationsarchitektur von Mars One verantwortlich und müsste ich die Vorgabe erfüllen, einen 24/7-Dienst mit hoher Ausfallsicherheit zu realisieren, dann wäre ich mir nicht sicher, mit 6 Milliarden allein für diesen kleinen Teilaspekt des Gesamtprojekts auszukommen. Allein für die Erstellung des Systems. Nach maximal 10 Jahren oder so werden Elemente ausgetauscht werden müssen, und der dauernde Betrieb dieser Raumfahrzeuge kostet auch Geld.

Die Mars One-Experten werden nun sicher erwidern, dies liegt an meinem Hintergrund als Mitarbeiter einer Raumfahrtagentur. Wahrscheinlich habe ich in meinem Job nie gelernt, mit Geld umzugehen. Mag sein. Dann bin ich wirklich gespannt auf die Details von deren Konzept. Davon kann ich sicher viel lernen.

Die Alternative wäre, dass ich Recht habe und dass die Gesamtkosten von Mars One, die das Projekt nennt, auf vollkommen unrealistischen Annahmen basieren. In der Realität wäre mit Kosten zu rechnen, die um Größenordnungen höher liegen und die im übrigen auch zeitlich nicht begrenzt sind, denn wenn man erst einmal Leute auf dem roten Planeten hat, dann muss es einfach weiter gehen, mit Versorgungsflügen, mit dem Ersatz defekter Komponenten, mit dem weiteren Ausbau, um der wachsenden Kolonie Rechnung zu tragen. Aber das kann doch wohl nicht sein.

Der Beitrag Die Kommunikationsarchitektur von Mars One erschien zuerst auf Go for Launch.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 71